Mitte bis Ende der 1990er wurde durch SCREAM (USA 1996) das Horror-Slasher-Genre wiederbelebt. Verschiedene andere Genre-Einträge entstanden in dieser Phase. Auch CHERRY FALLS – SEX ODER STIRB (USA 2000) von Regisseur Geoffrey Wright, der in den USA allerdings nicht ins Kino gekommen ist, sondern als bis dato teuerste TV-Premiere veröffentlicht wurde, zählt ebenfalls hierzu. Zunächst erscheint der Film nur blass und nichtssagend zu sein – aber weit gefehlt.
Klassischerweise spielt CHERRY FALLS – SEX ODER STIRB (USA 2000) in der titelgebenden US-Stadt, die von einem Killer heimgesucht wird. Anders als aus dem Genre und dessen Konventionen bekannt, ist der Killer nicht hinter sexsüchtigen Jugendlichen her, sondern hinter jugendlichen Jungfrauen, die sich erst langsam der sexuellen Entfaltung widmen. Als dies in der Stadt und unter den Jugendlichen bekannt wird, planen diese, sich von der Liste der gefährdeten Art streichen zu lassen und eine große Party für das erste Mal zu veranstalten. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Jody Marken, die gerade Probleme mit Kenny Ascott hat – denn es geht darum, wie weit sie bisher miteinander gegangen sind und wie weit sie gehen wollen. Als Jungfrau ist sie auch im Blick des Killers, aber nach und nach kommen Geheimnisse aus der Vergangenheit und – klassischerweise – den Sünden, die in der Stadt begraben sind, hervor, die auch Jody Marken betreffen.
CHERRY FALLS – SEX ODER STIRB (USA 2000) ist ein interessanter und spannender Horror-Slasher. Zwar leidet der Streifen ab und an unter dem unpassend wirkendem Einsatz bestimmter Stilmittel im Schnitt. Auch die musikalische Untermalung, die Stimmung und das Tempo wirken manchmal unangebracht und bauen daher leider eine Distanz zum Film auf, die auch vom Inhalt ablenkt. Der Schnitt des Films reduziert vieles nur auf Andeutungen, die dem Zuschauer aber gleichzeitig auch eine besondere Konzentration abverlangen. In einer Szene abends bei der Vollversammlung ist Jody Marken in der dunklen Cafeteria und denkt, jemanden gesehen zu haben. Kurz werden die Schuhe von jemandem, der sich dort versteckt hält, gezeigt. Die Schuhe haben eine auffällige Markierung. Später, in einer anderen Szene, trifft Jody Marken auf denjenigen und die Markierung wird wieder gezeigt – sie selbst weiß davon aber nichts. Der Zuschauer ist an diesem Punkt schlauer als die Protagonistin und stellt Vermutungen an, ob es sich dabei um den Killer handelt – wenn man zumindest aufmerksam ist. Die Idee ist keinesfalls schlecht, vielleicht nur etwas zu kompliziert umgesetzt.
Leider haben diese Andeutungen auch etwas mit Kürzungen, die sicherlich in Bezug auf die Freigabe des Films vorgenommen wurden, zu tun. Eine Szene ist besonders auffällig. Die junge Annette, die im Visier des Killers ist, verabschiedet die Eltern, die den Abend mit Freunden unterwegs sind. Zunächst wird nur schlecht deutlich, dass Annette das Mädchen ist, die Stunden zuvor für einen Zwischenfall in der Cafeteria gesorgt hat. Auch hier ist die Aufmerksamkeit des Zuschauers gefragt, sonst denkt man, dass es sich um zwei unterschiedliche Charaktere handelt. Besonders hervorstechend ist allerdings, dass zwischen der Szene mit dem Angriff auf Annette und dem Abend mit den Eltern und deren Freunden hin und her geschnitten wird. Im intensivsten Moment wird gezeigt, wie am Tisch mit den Freunden ein Glas Wein versehentlich umgestoßen wird. Allerdings fehlt der Kontext, was dazu führt – und genau das würde es aber interessant machen. Schaut man in den ersten Entwurf des Drehbuchs von Ken Selden, wird aufgelöst, was zwischen den Freunden geschieht: Es hat mit einem verdeckten Partner-Tausch unter dem Tisch zu tun. Aber auch der Angriff auf Annette spielt sich im Drehbuch anders und vor allem sehr viel intensiver ab. Siehe unten abgebildeter Ausschnitt, das Drehbuch ist online verfügbar.
Schaut man darüber hinweg, dass das filmische Ergebnis stellenweise ziemlich unausgereift wirkt, und konzentriert man sich auf die Geschichte, die erzählt wird, verbirgt sich hinter dieser Fassade ein spannender Film, den es sich zu entdecken lohnt. Das Geheimnis, welche Sünde in der Stadt begraben liegt, soll hier nicht gelüftet werden – aber wenn man es entdeckt, lässt sich sehr gut nachvollziehen, welche tatsächliche Last auf manchen Charakteren liegt, für die Vergangenheit als auch für die Zukunft. CHERRY FALLS – SEX ODER STIRB (USA 1999) ist ein kurioses Beispiel dafür, dass der Film umso besser erscheint, wenn man darüber nachdenkt, was ausgeblendet wird oder was noch daraus hätte werden können.