Polizeiruf 110: Herzeleid

Herzeleid: Blutroter Schnee Im Rostocker Campus-Krimi

Die Ulmenstraße, der schneebedeckte Campus – und ein unerwarteter Todesfall. Eine junge Studentin stirbt. Klingt nach dem neuesten »Polizeiruf 110« aus Rostock? Ist es nicht – und könnte es dennoch sein. Nach dem Drehbuch-Remake »Gotham City« gibt es nun eine neue Premiere: Ein Krimi mit universitärem Lokalkolorit. Mehr zu den Hintergründen im Interview.

Q: Nach deiner Überarbeitung des Drehbuchs zu »The Dark Knight Rises« (USA 2012) veröffentlichst du nun anderthalb Jahre später unerwartet ein neues Drehbuch – und das ist als Folge des »Polizeiruf 110« aus Rostock gedacht. Wie kommt das – bist du ein Fan?

A: Nein, ich bin kein Fan der Reihe, sehe sie mir aber gerne an. Die beiden Kritiken zu den Episoden »Zwischen Den Welten« (D 2013) und »Familiensache« (D 2014), die ich auf »heuler online« veröffentlicht habe, sind auch sehr unterschiedlich ausgefallen. Eine Folge fand ich unterdurchschnittlich, die andere war für mich überwältigend. Besonders spannend fand ich aber immer die Frage, wie ich eine Folge gestalten würde – schließlich lebe ich in Rostock und sehe die Krimis daher auch immer aus einem anderen Blickwinkel, so wie es auch Münsteranern beim »Tatort« oder bei »Wilsberg« geht. Und so haben sich immer mal wieder neue Ideen ergeben und Charaktere sind auf der Bildfläche erschienen, über die ich gerne etwas erzählen wollte. Ein wichtiges Element vom Ende stand auch schnell fest – und alles andere hat sich tatsächlich erst beim Schreiben ergeben.

 

Q: Apropos Schreiben: Erzähl mal schnell, wie du überhaupt vorgegangen bist und wie lange es gedauert hat, bis diese erste Fassung fertig war.

A: Die Sequenzen zu Beginn haben mir schon etwas länger vor Augen gelegen und ich wusste, wie sie aufeinander aufbauen sollen. Am Silvesterabend beginnt alles und die primären Charaktere werden nacheinander in einzelnen Szenen eingeführt. Dieses Prinzip wiederholt sich noch einmal, bevor der eigentliche Krimi startet. Am 01.01.2016 habe ich dann spontan begonnen ein paar Zeilen zu schreiben. In den nächsten siebzehn Tagen sind etwas über dreißig Seiten entstanden – inhaltlich alles recht aufeinanderfolgend abgearbeitet. Zwischendrin habe ich auch schon Teile des Endes geschrieben. Allerdings habe ich nur geschrieben, wenn mir danach gewesen ist. Danach ging es auf einmal richtig zur Sache und pro Tag wurden auf einmal zehn Seiten geschrieben. Das hat mich selbst überrascht, da das gesamte Geschehen und die Charaktere nicht vollständig ausgearbeitet waren, sondern sich alles erst nach und nach zusammengefügt hat.

 

Q: Ist das denn nun auch wirklich wie ein richtiger »Polizeiruf 110« aus Rostock, oder ist dieser Hintergrund nur ein Alibi und hat mit der Reihe am Ende doch nichts zu tun?

A: Die bekannten Charaktere aus der Reihe treten zentral auf und es dreht sich alles um die Lösung des Falls – sofern es denn überhaupt einen gibt. Das müssen sie erst ist einem engen zeitlichen Rahmen herausfinden. Das ist auch eine der Schwierigkeiten beim Schreiben gewesen, denn der eigentliche Fall läuft in ungefähr zwei bis drei Stunden Echtzeit ab. Beim Schreiben wollte ich mich aber nicht zu sehr auf die bekannten Charaktere konzentrieren, sondern auf die neu auftretenden Figuren, die von mir sind. Die vorhandenen Figuren habe ich versucht da abzuholen, wo ich sie zuletzt erlebt habe – allerdings kenne ich noch nicht die Doppelfolge »Wendemanöver« und kann nicht sagen, wie sie sich dort weiterentwickelt haben. Um sich also ordentlich in die Reihe einzufügen, sind sicherlich noch weitere Anpassungen vorzunehmen, um die es in der ersten Fassung aber nicht ging.

 

Q: Ein Krimi-Spielfilm läuft normalerweise 90 Minuten im Fernsehen – deiner auch?

A: Das Drehbuch umfasst 91 Seiten. Die Faustregel lautet: 1 Seite = 1 Minute. Theoretisch müsste es also recht gut ins Schema passen.

 

Q: War es schwer auf das Ziel von 90 Minuten Länge hin zu schreiben?

A: Anfangs war die Frage vielmehr: Wieviel Seiten stecken eigentlich in dem, was ich schon vor Augen hatte. Jede geschriebene Seite war ein Erfolg. Irgendwann dachte ich: Wenn 50 Seiten entstehen, dann ist das ziemlich gut. Plötzlich klopfte Seite 60 an, dann Seite 70. Und auf einmal war die Sorge da, dass es mehr als 90 Seiten werden. Als ich das Drehbuch dann gelesen und korrigiert habe – durch das unstrukturierte Schreiben haben sich zwangsläufig Logik-Löcher ergeben, die gestopft werden mussten – konnte ich es auf 91 Seiten kürzen und bin damit nun äußerst zufrieden.

 

Q: Der Krimi spielt an der Universität Rostock, genauer gesagt an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät, aber auch in der Universitätsbibliothek und der Mensa. Wieso gerade dort – und wie echt kommt das Leben an der Universität zum Vorschein?

A: Das sind Settings, die mir aus Studienzeiten und Dozententätigkeiten am besten vertraut sind und die für den Verlauf einfach passend sind. Was das angeht, denke ich, trägt das alles zu einer Lebendigkeit und plausiblen filmischen Wirklichkeit der Gegebenheiten bei.

 

Q: Du musstest also nicht schummeln? Oder hast du doch Anpassungen vorgenommen?

A: Sicherlich, aber nur wenige. Zum Beispiel, dass das Büro der Dozenten zwangsläufig über dem Hörsaal 323 in der Ulmenstraße liegen muss – keine Ahnung, ob das tatsächlich passt.

 

Q: Und wieso lautet der Titel der Folge »Herzeleid«?

A: Der erste Arbeitstitel des Drehbuchs ist »Bedrängnisse« gewesen. Von Anfang an sollte es um Beziehungen zwischen Leuten gehen und wie es weitergeht, wenn aus Harmonie auf einmal (un-)absichtlich Bedrängnis wird. Dieses Thema steckt für mich noch immer im Drehbuch drin, ist aber noch nicht derart ausgearbeitet, wie ich es mir anfangs vorgestellt habe. Das hat am Ende an der Eigendynamik des Schreibens gelegen und wie sich alles ungeplant ergeben hat. Der Titel musste also geändert werden – aber er hatte mir auch nicht gefallen. Der neue Titel hat sich zufällig ergeben. Derzeit höre ich häufiger »Rammstein« und bin so auf »Herzeleid« gestoßen, das auf dem entsprechenden Sprichwort basiert. Es scheint mir äußerst passend für die Charaktere und deren Phasen zu sein, in denen sie sich befinden. Daher war die Entscheidung schnell gefallen und ein neuer Titel gefunden.

 

Rammstein: Herzeleid

Bewahret einander vor Herzeleid,

denn kurz ist die Zeit,

die ihr beisammen seid.

Denn wenn euch auch viele Jahre vereinen,

einst werden sie wie Minuten euch scheinen.

Bewahret einander vor der Zweisamkeit.

 

Q: Und worum geht es insgesamt im Drehbuch?

A: Sex, Pornographie und – wie der Titel sagt – Herzeleid. Verlockend genug?

 

Q: Das Titelblatt sagt, dass es der erste Entwurf ist. Spielt das beim Lesen irgendeine Rolle?

A: Unbedingt. Der erste Entwurf bedeutet nur, dass alles von A bis Z dargestellt ist und eine erste halbwegs runde Fassung entstanden ist, die nun kommentiert werden kann. Fehler, Ungereimtheiten und so weiter können noch immer im Drehbuch stecken. Das sollte beim Lesen einfach beachtet werden.

 

Q: Und trotzdem hast du es veröffentlicht?

A: Das Ziel war, eine erste Fassung zu erstellen. Nun bin ich an konstruktiver Kritik und den Eindrücken der Leser interessiert, die mir Aufschluss über Dinge geben, die mir beim Schreiben vielleicht nicht aufgefallen sind. Das gesammelte Feedback kann dann für eine Überarbeitung und eine zweite Fassung verwendet werden.

 

Q: Schreibst du denn auch eine zweite Fassung?

A: Derzeit ist das nicht geplant. Wie gesagt, das Ziel war immer nur die erste Fassung fertigzustellen. Mal sehen, wie das Feedback ausfällt – das kann einiges ändern.

 

Q: Wie soll es denn mit diesem Drehbuch weitergehen? Versprichst du dir etwas davon, zum Beispiel, dass es irgendwann doch im TV zu sehen ist?

A: Schlichtweg: Nichts.

 

Q: Dennoch, mal ehrlich: Was hältst du selbst von dem Drehbuch?

A: Das kann ich noch nicht genau sagen, erstmal brauche ich Abstand dazu, um es wieder nüchterner betrachten zu können. Im Augenblick bin ich noch zu nah dran. Beim Schreiben hatte ich auf jeden Fall große Freude und enormen Spaß. Das zählt schon mal. Und ansonsten geht mir immer wieder durch den Kopf, was mir ein wichtiger Freund vor Ewigkeiten gesagt hat, als wir einen Kurz-Film gedreht haben: »Das liest sich nicht wie Arte, sondern wie ZDF. Die Sachen vom ZDF sind nicht schlecht, aber es ist halt kein Arte.« Nun einfach ZDF gegen ARD austauschen und wahrscheinlich passt es wieder.

 

Q: Wie war die Schreibphase für dich – hattest du irgendein besonderes Gefühl?

A: Tatsächlich hatte ich das – und ich wurde es nicht los. Das Schreiben hat sich wie ein Zurückblicken und Abschiednehmen von Rostock angefühlt.

 

Q: Schreibst du demnächst auch wieder weiter?

A: Viele verschiedene Ideen sind da, aber auch Zeit und Elan müssen vorhanden sein. Dieses Mal haben die Umstände hervorragend dazu beigetragen, dass ich schreiben konnte. Jetzt stehen erstmal andere wichtige Aufgaben an. Im Hinterkopf habe ich aber noch was …

 

Q: Wer dir Feedback geben will, wie geht das?

A: Gerne per E-Mail an: clemens.langer@uni-rostock.de. Zusätzlich gibt es auch eine Seite auf Facebook, die für Kommentare, Feedback und weiteren Austausch genutzt werden kann.

PIIO: http://www.facebook.com/PIIOHerzeleid

 

Q: Die Leselaune steigt – und wo ist das Drehbuch nun zu finden?

A: Einfach auf das Bild klicken und das Drehbuch wird geladen.

 

DAS DREHBUCH STEHT NICHT ZUM DOWNLOAD ZUR VERFÜGUNG!