Nachts! Laut! Prodigy! – Live

Live @ Ally Pally London 2015-05-16: Lange haben sie sich Zeit gelassen – mit dem neuen Album, mit der neuen Tour. Und nun war es endlich soweit, die UK-Tour von »The Prodigy« hat angestanden und mit einem Doppel-Konzert-Abend im Londoner Alexandra Palace ein Ende gefunden. In eine schöne und entspannte Städtereise mit lieben Freunden eingebettet, war das Konzert am Samstagabend das Ereignis schlechthin.

Jeder Schritt bei schönem Sonnenschein in Richtung Alexandra Palace – liebevoll auch Ally Pally genannt – hat an dem Abend die Spannung und Vorfreude gesteigert. Die Location ist enorm groß und lädt auch einfach nur so zum Verweilen ein. Wir haben die vorbestellten Tickets schnell und unkompliziert abgeholt und plötzlich standen wir schon inmitten der Massen, die mit uns die Spannung und Vorfreude geteilt haben.

Vor dem Konzert legte noch Eddy Temple Morris auf und lieferte ein hervorragendes Set ab, das die Zeit, bis sich die Jungs von »The Prodigy« endlich auf die Bühne begeben haben, nicht nur überbrückt hat, sondern das auch die Tanzlaune des Publikums gesteigert und müde Knochen in Schwung gebracht hat.

Kurz nach neun Uhr abends – die Konzerthalle war bereits gefüllt, immerhin ausverkauft – musste Eddy Temple Morris mitten im Set abbrechen, denn nun sollten alle Lautsprecher der Belastungsprobe schlechthin ausgesetzt werden. Tatsächlich erinnerte das Konzert auch an »Desaster Area« aus »Per Anhalter Durch Die Galaxis«, der wohl lautesten Band des Universums. Die Band ist so dermaßen laut, dass sie von einem anderen Planeten aus spielen muss. Das trifft wohl auf keine andere Band zu, außer auf »The Prodigy«.

Zur Einstimmung gab es den Klassiker »Breathe« zu hören, aber die nachfolgende Mischung hat die Stimmung des Abends maßgeblich bestimmt. Liam Howlett hat die perfekte Balance aus Songs von den Alben »The Fat Of The Land«, »Invaders Must Die« und »The Day Is My Enemy« gefunden. Besser als in einem britischen Bericht vom Ally-Pally-Konzert tags zuvor lässt sich diese Mischung überhaupt nicht beschreiben: »Old numbers felt revitalised, new ones felt like they were already classics.« Zu Deutsch: Die alten Nummern fühlten sich wiederbelebt an, die neuen hingegen so, als wären es schon jetzt Klassiker.

Die Tracks des neuen Albums haben viel dazu beigetragen, denn der Schwung, der darin steckt, überträgt sich auf alles andere. Wie bereits in der Rezension geschrieben, das neue Album ist wie eine durchtanzte Nacht im Club. Und genau das hat dieser Abend in der leider nur anderthalbstündigen Show gebracht – so und nicht anders hat es sich angefühlt. Stillstand war nicht gegeben. Stillstand war aber auch nicht gewollt. Die dicht gedrängten Massen waren in ständiger Bewegung, die Stimmung großartig, die Band ruhelos – und man selbst hat nur noch Blut und Wasser geschwitzt.

Kritikpunkte? Selbstverständlich. Auch wenn wir ziemlich weit nach vorne gekommen sind, war von der Bühne und der Band nur schlecht was zu sehen. Vielleicht lag es daran, dass es jemand mit dem Nebel zu gut gemeint hat, der die Bühne in ein Dickicht gehüllt hat. Auch die Licht-Show war nicht zu beeindruckend – aber das war sie bei der Band noch nie. Immerhin handelt es sich nicht um »The Chemical Brothers«, die eine einzigartige Licht-Choreographie haben – »The Prodigy« zielen da mehr in Richtung epileptischer Anfall.

Letztlich spielt das aber alles keine Rolle. Die Atmosphäre hat gestimmt, die Band war zu spüren – das Erlebnis hat sich vollends genießen lassen. Vielmehr aber noch als das gibt es nur eine Sache, die alles in den Schatten stellt: Während des Konzerts immer wieder in die Gesichter der Freunde zu blicken, mit denen man da ist, sich anzusehen und gegenseitig ein Strahlen zu entdecken, das von derselben Leidenschaft und Euphorie für das Ereignis zeugt, die man selbst an den Start bringt. Geteilte Freude wird so ganz leicht zu doppelter Freude.