South Park: Fantasieland VS. The Artist:
ErlebnisWahnsinn?

»Keine Kunst erreicht unser Gewissen in der Art und dringt zu unseren in den tiefen und dunklen Ecken unserer Seele liegenden Emotionen vor, wie der Film.« Ingmar Bergmans Worte fassen die Wirkung, aber auch die Faszination am Film hervorragend zusammen. Der Film lebt von der Fiktion und Vorstellungskraft der Zuschauer. Ein letzter Blick auf den Film.

In den vergangenen über hundert Jahren haben Filme für die unterschiedlichsten Erlebnisse beim Anschauen gesorgt. Erfreuliche, erschauernde, erstaunliche und verstörende Welten haben die Zuschauer in den Bann gezogen und manchmal nur Momente, manchmal aber auch Lebensphasen geprägt. Die Filmemacher haben der Fantasie freien Lauf gelassen und zur Umsetzung immer bessere Technologien entwickelt. Genauso haben aber auch die Technologien der Fantasie eine größere Spielwiese gegeben. Die Reise zum Mond in »Le Voyage Dans La Lune« (F 1902) des französischen Filmpioniers Georges Méliès, die großen Maschinen und die Zweiklassengesellschaft in Fritz Langs »Metropolis« (D 1927), der voyeuristische Mikrokosmos in Alfred Hitchcocks »Das Fenster Zum Hof« (USA 1954), die unendlichen Weiten des Weltraums in Gene Roddenberrys »Star Trek« (USA 1966-1969) in denen dich auch in James Camerons »Aliens – Die Rückkehr« (USA 1986) niemand schreien hört, der tragikomische Charme von »Forrest Gump« (USA 1994), der medienkritische Gegenschlag in »Series 7: The Contenders« (USA 2001), der sozialkritische Klamauk namens »Idiocracy« (USA 2006) und die herzerweichenden computergenerierten Augen von »Wall-E« (USA 2008) zeugen alle von der Vielfalt, Rastlosigkeit und dem Überangebot, das die Welt des Films seither bereitgehalten und konserviert hat.

Genau hiervon zehrt der Dreiteiler einer der hervorragendsten und kompromisslosesten Serien im Fernsehen, »South Park: Fantasieland« (USA 2008). Die Viertklässler Kyle, Stan, Cartman, Kenny, Jimmy und Butters reisen darin in das Fantasieland, in dem alle Figuren leben, die vom Menschen vor allem für Filme erdacht wurden – die Guten wie die Bösen. Der Auftrag lautet: Verhindern, dass die Fantasie von Terroristen angegriffen wird. Wie sollte es auch anders sein, alles geschieht letztendlich nur in unserer Fantasie. Matt Stone und Trey Parker balancieren gekonnt auf der Klaviatur eines Paradoxons, wenn sie die absurdesten Charaktere und Situationen heraufbeschwören, die im ultimativen Kampf gegen sich selbst, die menschliche Fantasie und die Bedeutung, die diese Vorstellungskraft für jeden Einzelnen hat, antreten. Luke Skywalker, die Schlümpfe, Mickey Mouse, der Predator, das Alien, Superman, Popeye, Morpheus, Jesus sowie Gott melden sich vor der finalen Schlacht um die Fantasie der Menschen zu Wort. Die Macher sprechen dabei ein umfassendes globales kulturelles Erinnerungsvermögen an, von dem viele Menschen von Kindesbeinen an gezehrt haben. Dieses Gedächtnis gibt Antworten auf die Fragen: Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Wie gehen wir damit um? Und was bleibt am Ende? Der Fantasie wird im Dreiteiler im wahrsten Sinne des Wortes freier Lauf gelassen.

Dieselben Fragen verbergen sich auch hinter »The Artist« (F 2011), in dem der Stummfilm-Star George Valentin seine goldenen Zwanziger erlebt und nichts diesen Traum erschüttern könnte – nichts, bis auf die Film-Branche, der technologische Fortschritt in Richtung Ton-Film, das schnell vergessende Publikum und nicht zuletzt die Verbohrtheit des Stars, der die Veränderungen als Irrweg und Eintagsfliege abstempelt – der Stummfilm sei hingegen Kunst. Als »The Artist« in die Lichtspielhäuser kam, wurde Film nicht nur als Geschäft, sondern wieder vermehrt als Kunst wahrgenommen. Neu war es jedoch nicht, sondern eine Rückbesinnung auf die Ursprünge des Films. Wie »South Park: Fantasieland« verweist auch »The Artist« auf die vielfältigen durch Filme gemachten Erlebnisse und die manchmal beklemmende einfältige Fantasie – nicht nur der Macher, sondern auch der Zuschauer. Ingmar Bergman hat Recht. Man muss sich nur ergreifen lassen.