9 Songs VS. Macht Der Begierde:
XXX (V)Erwünschte Sexskapaden?

Erotik und Sex wurden im europäischen Kino stets progressiver als in der amerikanischen Filmbranche behandelt, die dem berüchtigten Production-Code unterworfen war. Die Grenzen des Zeigbaren müssen dennoch überall immer wieder neu ausgehandelt werden. Wann ist Pornographie nur Sex – und wann wird Sex zur Pornographie?

Während in den USA Filme wie »9 Songs« (UK 2004) oder »Macht Der Begierde« (USA 2001) unweigerlich die Altersfreigabe NC-17 und damit auch den kommerziellen Todesstoß von der US-Freigabebehörde MPAA erhalten, sieht die Situation in Deutschland gravierend anders aus. Die MPAA hat weniger Probleme mit Gewaltdarstellungen auf der Leinwand, weshalb »The Dark Knight« (USA 2008) die kommerziell lukrative PG-13-Kennzeichnung erhalten hat, was in Deutschland einer FSK-Freigabe ab 12 Jahren entspricht. Der Film wurde hier hingegen erst für Zuschauer ab 16 Jahren freigegeben. Darstellungen von sexuellen Akten werden hier aber deutlich weniger restriktiv behandelt, als es in den USA der Fall ist.

Aber es sind Unterschiede zu beachten. In Deutschland sind alle pornographischen Filme, also diejenigen, die auf die explizite und unmittelbare Darstellung sexueller Akte abzielen, nicht jugendfrei und somit erst ab 18 Jahren zugänglich. Weiterhin unterliegen sie einer automatischen Indizierung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien und dürfen daher nicht frei beworben und angeboten werden. Aber nicht alles, was pornographisch anmutet, muss auch gleich als Pornographie eingestuft werden.

Der Regisseur Michael Winterbottom setzte sich daher das Ziel, einen sexuell expliziten Film zu drehen und damit auszutesten, wie weit er auf der normalen Leinwand gehen konnte. Das Ergebnis war der 70 Minuten lange Streifen »9 Songs«, der in rudimentärsten Zügen das Intimleben einer losen Paarbeziehung beobachtet und nur von neun Songs unterschiedlicher Konzertbesuche unterbrochen ist. Die Intimdarstellungen sind echt – und pornographisch explizit. Dennoch hat die deutsche FSK den Film ab 16 Jahren und somit für ein jugendliches Publikum freigegeben. Pornographisch muss also nicht gleich Pornographie sein. Damit scheint zumindest hierzulande das Experiment des Regisseurs äußerst gelungen zu sein. In anderen Ländern war der Aufschrei hingegen groß.

Drei Jahre zuvor sah die Sache noch ein wenig anders aus. Der Regisseur Wayne Wang drehte den Film »Macht Der Begierde«, in dem ein frisch gebackener Dot-Com-Millionär für drei Tage und 10.000 Dollar eine Lap-Dancerin nach Las Vegas einlädt, wo sie sich besser kennenlernen und abends erotischen Phantasien hingeben, ohne gewisse Grenzen zu überschreiten. Diese zwei aus fremden Welten stammenden Leute sind einander nah und gleichzeitig fern, sie sind Freunde und wiederum nur Geschäftspartner – sie sind gemeinsam einsam. Anders als bei »9 Songs« findet man hier aber lebendige Charaktere und eine Handlung vor, die dem Film auch eine Dramatik verleihen. Der Film wird gerade dadurch inhaltlich anspruchsvoll – geizt im Gegenzug aber, bis auf eine kurze Sequenz, mit sexuell explizitem Material.

Wayne Wang beschreitet also einen ganz anderen Weg als Michael Winterbottom, wenn er die Charaktere als Repräsentanten postmoderner Zustände einsetzt, die einerseits auf der Suche nach Bindung sind, andererseits aber gar nicht mehr bindungsfähig sind. Und obwohl zwischen beiden Filmen derart gravierende Unterschiede liegen, ist »Macht Der Begierde« in Deutschland nur ab 18 Jahren freigegeben. Vielleicht liegt es an der dreijährigen Distanz zwischen den Filmen, in denen sich in der Bewertung viel getan haben kann, oder es spielen andere inhaltliche Punkte eine Rolle. Unter Umständen würde eine Neuprüfung zu einem neuen Ergebnis kommen. Letztendlich bleibt aber zu sagen, dass jeder der Filme auf seine eigene Art und Weise die Zuschauer zu überraschen weiß – eine gewisse aufsteigende Schamesröte vielleicht inbegriffen.