David Lagercrantz: Verfolgung (S 2017)

Die Millennium-Trilogie von Stieg Larsson, die spannende schwedische Krimi-Saga um die Hackerin Lisbeth Salander und den Wirtschafts-Journalisten Mikael Blomkvist, hat vor wenigen Jahren in David Lagercrantz als neuen Autor eine offizielle Fortsetzung und den Beginn einer weiteren Trilogie erhalten. Der mittlere Teil, VERFOLGUNG (S 2017) schließt hervorragend an meinen Eindruck von dem Vorgänger, VERSCHWÖRUNG (S 2015), fühlt sich aber dennoch etwas anders an.

Die Nachfolge von Stieg Larsson anzutreten und neue Abenteuer um dessen Protagonisten herum zu entwickeln, erschien wie eine nicht zu bewältigende Herausforderung. VERSCHWÖRUNG (S 2015) hat allerdings gezeigt, dass der offiziell ausgewählte Autor David Lagercrantz die beiden vielleicht wichtigsten Elemente, die Stieg Larsson der Millennium-Trilogie einverleibt hat, ebenfalls hervorragend beherrscht und umgesetzt hat: Eine spannende und mitreißende Geschichte zu entwickeln sowie diese zu einem abenteuerlichen Lese-Vergnügen aufzubereiten, bei dem alles pausenlos verschlingen möchte und ein Blatt nach dem anderen umblättert.

Auch in VERFOLGUNG (S 2017) stellt David Lagercrantz genau diese Kunst erneut unter Beweis, so dass allen Interessierten schlichtweg eine unterhaltsame Krimi-Lektüre in Aussicht gestellt werden kann. Und dennoch fühlt sich dieses Mal manches ein wenig anders an. Allerdings ist dies auch dem Drang nach einem Vergleich mit der Original-Trilogie geschuldet, der für mich aber gar nicht mehr machbar ist. Zwar habe ich die Bücher erst vor wenigen Jahren entdeckt und gelesen, aber zu viel davon ist inzwischen wieder verblasst, um Erzählweise und Stil des neuen Bandes mit den anderen zu vergleichen. Trotzdem drängt es mich, genau das andauernd zu versuchen.

Mir erscheint zumindest auffällig, dass der Kaffee-Durst von Mikael Blomkvist sehr viel geringer als bisher ist. Und auch seine investigativen Recherchen und die anschließende Zeit am Schreibtisch, um alles niederzuschreiben, fallen äußerst gering und quasi nur zusammenfassend aus. Das hat bisher aber immer einen besonderen Spaß bei der Lektüre gemacht, dabei folgen zu können. Besonders schmerzhaft wirken aber die erneuten Begegnungen und die Wiedersehen mit anderen Bekannten aus den vorhergehenden Bänden, denn häufig wirkt es mehr wie aus einer TV-Serie aus den 1980ern: Die Charaktere sind da, um sich kurz zu Wort zu melden und eine Aufgabe zu übernehmen, aber sie bleiben zweidimensional und entwickeln sich nicht weiter. Das ist schade, wenn man sie bisher schon anders erlebt hat.

Im Gegenzug baut David Lagercrantz allerdings viele interessante neue Charaktere in einer wiederum äußerst spannenden Geschichte auf, und lässt diesen genug Möglichkeiten, um sich zu entfalten und die Leser mit auf diese Reise zu nehmen. Über die Geschichte selbst soll nichts gesagt werden. Oder vielleicht nur soviel: Auch, wenn die Vergangenheit von Lisbeth Salander seit der Kindheit weithin aufgeklärt wurde, hat David Lagercrantz eine weitere Facette aufgedeckt, die sich harmonisch, aber aufgrund von Skrupellosigkeit erschütternd in das gesamte Gefüge einbindet und noch viel weitere Kreise gezogen und andere Menschen nachhaltig betroffen und beeinflusst hat.

Das Erbe von Stieg Larsson anzutreten, bleibt wahrscheinlich mit jedem weiteren Band immer wieder eine Herausforderung. Die Lektüre ist zumindest, wenn es einfach nur um einen unterhaltsamen und spannenden Krimi gehen soll, ein angenehmer Genuss. Ohne irgendwelche Vergleiche zu ziehen. Nur manches fühlt sich beim Lesen immer mal wieder ein wenig unpassend an – egal, ob mit oder ohne Vergleich. Insbesondere der Abschluss vor dem Epilog wirkt zu unvermittelt und losgelöst. Abzuwarten bleibt, ob aber genau daran im dritten Band der zweiten Millennium-Trilogie angeknüpft wird. Die Lektüre ist vorab jedenfalls gebucht – aus Erinnerung, Vertrautheit und Interesse.

3.5 out of 5 stars