Der Zimmermann #2:
Dingsda?!

John Carpenter, der Name steht für düstere, dichte und spannungsgeladene Atmosphäre im Film. Gepaart mit der Kälte des antarktischen Eises in »Das Ding Aus Einer Anderen Welt« (USA 1982) ist die Perfektion dem ersten Anschein nach zum Greifen nahe. Der Vergleich zwischen Drehbuch und Film zeigt aber, was wirklich daraus hätte werden können.

Die Welt wurde schon mehrmals von dem zell-imitierenden Ding aus einer anderen Welt heimgesucht, das Menschen vollständig kopiert. In den 1930er-Jahren erschien zunächst die Erzählung »Who Goes There?« von John W. Campbell. In den 1950ern folgte die erste Verfilmung von Christian Nyby, in der das Ding zu einem körperlichen Ding wurde. In den 1970ern wurde William F. Nolan beauftragt, eine neue Fassung zu entwickeln, die die Gefahr wieder auf die mikroskopisch-zelluläre Ebene bringen sollte. Wie bereits in der ersten Verfilmung, wurde von den Erlebnissen eines gemischt-geschlechtlichen Teams erzählt. Der eigentliche Horror – die Furcht vor dem Unbekannten, das bereits in jedem anderen stecken kann, so, dass man niemandem mehr vertraut – ist dabei leider in den Hintergrund gerückt. Das Treatment wurde auf Eis gelegt. Stattdessen hat Bill Lancester für John Carpenter ein neues Drehbuch geschrieben, das zwar, wie das Original aus den 1930ern, nur von einem männlichen Team erzählt, aber die Ängste wieder ins Spiel brachte. Das weitere drei Jahrzehnte später erschienene Prequel setzt auch hier an – und präsentiert endlich wieder starke weibliche Charaktere.

Der Film von John Carpenter ist unheimlich und spannend. Die Körper-Horror-Effekte sind beeindruckend, die Erzählweise wieder einmal punktgenau und schnörkellos. Schaut man aber genauer hin, scheint vor allem die innere Logik nicht zu stimmen. Der Blick in den Roman von Alan Dean Foster, der auf dem Drehbuch basiert, schafft Abhilfe – und zeigt hervorragend die Unterschiede zwischen Drehbuch und Film auf, die sich im Laufe der problematischen Dreharbeiten ergeben haben.

John Carpenter hat während der Dreharbeiten vieles verändert, um die Erzählweise zu straffen. Die Etablierung von MacReady als zentralem Charakter dauerte im Drehbuch wohl zu lange. Im Gegenzug wurde allen Charakteren mehr Zeit zur Entfaltung gegeben. Man lernt sie besser kennen. Jemand, an dem sich die Zuschauer orientieren und mit dem sie sich identifizieren können, wird aber erst später deutlicher herausgestellt. Das Buch zeigt hingegen, dass vieles langsamer abläuft und auch mehr hinter dem steckt, was im Film nur angedeutet wird: MacReady zieht sich zum Schach-Spiel zurück oder plant ein Stelldichein mit seiner Gummipuppe. In einer längeren Sequenz mit tödlichem Zwischenfall sucht er entlaufene Schlittenhunde. Vieles ist im Buch anders – nicht nur, dass Windows eigentlich Sanders heißt – und spannender als im Film. Nicht zuletzt ist auch die Reihenfolge, wann wer wie abtritt, auf den Kopf gestellt. Das Buch vermittelt zudem ein viel besseres Gefühl für das Leben, die Isoliertheit, die langsam vergehende Zeit und die beklemmende Angst in der schneeweißen Eiswüste. Nach wie vor existiert wohl keine vollständige Fassung des finalen Drehbuchs. Die Lücke der fehlenden Plausibilität, weshalb sich das Ding anderen zeigt, wenn es doch in einem Körper bleiben könnte, wird vom Buch geschlossen: Das Ding ist schlau und es dient alles nur der Ablenkung. Im Film wird dies nicht deutlich.

Bei aller Liebe für den Film, aber wäre doch das eigentliche Drehbuch auf der Leinwand gelandet. Die minimalistische Erzählung, die John Carpenter in »Die Klapperschlange« (USA 1981) eingesetzt hat, passt zwar auch hier, aber das Buch zeigt, dass viel Potential verschenkt wurde. Der unterschätzte und leider immer wieder geschasste Film »Alien3« (USA 1992) von David Fincher spielt ebenfalls in einem isolierten Setting mit einem unaufhaltsamen Monster und einer großen Zahl an Charakteren. Dennoch wird allem genügend Zeit zur Entfaltung gelassen – und die Spannung ins Unendliche gesteigert. Ein wahrer Genuss.