Ein Mirakel Unter Dem Sternenhimmel

Einmal im Jahr lädt das laufende zweite Schauspiel-Studienjahr der HMT in Rostock zum luftigen Theater unter dem Sternenhimmel des Innenhofs ein. An fünf Abenden wurde vom 22.07.2016 bis zum 26.07.2016 »Der Ritter Vom Mirakel« nach Lope de Vega aufgeführt. Das Stück und die Schauspieler präsentierten sich dabei selbst als wahre Mirakel.

Und hierum geht es in dem zweistündigen Stück: »Der spanische Glückritter Luzmán versüßt sich sein Leben mit Hilfe der feinen Damen der Gesellschaft. Als erfolgreicher Casanova lässt er die Herzen höherschlagen und die Kassen klingeln … Als er jedoch im amourösen Übereifer die Stückzahl zu sehr erhöht, gerät sein lukratives System außer Kontrolle …«

Als am dritten Spieltag gegen 21 Uhr in der lauwarmen Abendluft das Gewusel auf der schlicht gehaltenen Bühne – eine Bretterwand grenzte Vorder- und Hinterbühne voneinander ab – einsetzte, war noch nicht zu ahnen, wie unterhaltsam dieser Abend werden würde. Allerdings sollte sich das schnell ändern. Das Publikum wurde geschwind in die euphorischen und egoistischen Ansichten und Liebeleien von Luzmàn eingeführt. Schnell entwickelte sich ein Gespür für die nicht sichtbare, sondern sich aus dem Inhalt ergebende Szenerie und die (weibliche) Gesellschaft, mit der Luzmàn sein (besonderes) Spiel treibt. Die dezent platzierten orgastischen Übertreibungen, wenn Luzmán seine Gespielinnen in einem übertriebenen Liebesschwur anhimmelte und dabei seinen verführerischen Akzent zum Besten gab, führten wiederkehrend zu Lachanfällen. Nach der Vorstellung des selbsternannten Ritters vom Mirakel – der Ausfallschritt, den Luzmán stets bei der Nennung macht, lässt sich nicht beschreiben, man muss es einfach gesehen haben – und seiner leidenschaftlich-leidenden Stimme der Vernunft, Maria, folgten Verwirrungen, Verwicklungen und Verwünschungen zwischen den (liebenden) Paaren, die im Chaos endeten. Je verstrickter es wurde, desto mehr musste man sich fragen, wie da noch die Kurve gekriegt und alles wieder aufgelöst werden sollte. Auch dabei bewiesen Stück und Beteiligte ein geschicktes Händchen.

Die zehn jungen Schauspieler enthüllten im überaus rasanten, aber auch komplexen Stück ein Lustspiel besonderer Art. Wer noch die charmanten TV-Filme mit Herbert Hermann kennt und liebt – »Hexenschuss« (D 1987), »Cherie – Mein Mann Kommt« (D 1992), »Ein Traum Von Hochzeit« (D 1997) und »Verzwickte Lügen« (D 1997), dem wird dieses Stück zusagen. Allerdings: Nicht nur Charme, auch Esprit zeichnet es aus. Als Zuschauer stößt man auf tieferliegende Schichten, die mehr als nur Unterhaltung entfalten. Die Charaktere werden im Licht und Schatten von Liebe, Demut, Anstand, Vertrauen, Erwartung, Hoffnung, Naivität, Ehrlichkeit, Lüge, Spiel, Manipulation, Ausnutzung … zu einem dezenten, aber ernsthaften Reflexionshorizont. Das Schauspiel gibt genügend Zeit, um in Ruhe in einen Spiegel zu blicken und auf eine Entdeckungsreise zu gehen, die über die Schlucht zwischen Liebe und Erwartungen führt. Der kritischste Spiegel – Constanzia und Lorenzo im Rollenspiel – wird nur zu schnell abmontiert …

Der Schwung und die Eleganz, die das Stück mit Leichtigkeit über zwei Stunden tragen, sind vor allem dem hervorragenden Ensemble geschuldet, das es auf die Bühne bringt: Man sieht den Schauspielern die Lust, den Spaß und die Freude am Spiel an. Man möchte mehr über alle erfahren. Wer quält sich da, indem er mit seinen 1,90m als Patricio die ganze Zeit gebückt umherläuft und der Stimme einen absurd-säuselnden Klang verleiht? Wer steckt hinter Octavia, Isabella und Beatricé, die ohne Schamesröte im Gesicht in orgastischen Ausbrüchen Luzmàn auf den Leim gehen? Und wer ist dieser strahlende Ritter vom Mirakel? Die angehenden Schauspieler, deren Spiel mit Stimme, Mimik, Gestik und Körper mehr als nur gelungene Unterhaltung ist, verschwinden hinter den Rollen und vereinnahmen sie für sich, als wären sie maßgeschneidert gewesen. Das Spiel ist zwar zu Ende, aber eine zauberhafte Erinnerung daran lebt weiter. Hut ab.