Film ist das wohl interessanteste Medium zur Äußerung von Medienkritik, denn nirgends sonst kann man sich derart ansprechen, aber auch unterhalten und involvieren lassen. Der Zuschauer muss sich daher auch als Voyeur, der das Fremde aus dem Schutz des Kinos beobachtet, ertappen lassen. Zwei Klassiker aus Europa und den USA unter Beweislast.
Das Entschlüsseln einer Kritik ist allerdings nicht so einfach, vielleicht sogar schwerer als in anderen Medien. Das Ziel ist schließlich, nicht deutlich zu sagen, dass und was man kritisiert, sondern es maskiert in Erscheinung treten und vom Zuschauer ableiten zu lassen. Je nach Genre kann aber auch viel Ablenkung von der eigentlichen Kritik stattfinden, so zum Beispiel, wenn es sich um komödiantische Unterhaltung wie in »EDtv« (USA 1999) und »Die Truman Show« (USA 1998) handelt. Dem gegenüber steht die gewalthaltige Kost, der häufig eine besondere Intensität der Medienkritik nachgesagt wird. Zwei Werke intensiver, aber doch gravierend unterschiedlicher Brutalität sind der belgische Cannes-Gewinner »Mann Beisst Hund« (B 1992) und der amerikanische »Natural Born Killers« (USA 1994).
»Mann Beisst Hund« verweist bereits im Titel auf Medien. Aus den Printmedien bekannt, impliziert der Titel, dass es außergewöhnliche Schlagzeilen sind, die die Aufmerksamkeit und das Interesse der Leser wecken. Das ein Hund einen Mann beißt, ist nicht außergewöhnlich. Der umgekehrte Fall ist jedoch eine Nachricht wert. Und so wird im Film der Serienkiller Benoît von einer Dokumentar-Film-Crew begleitet, die nüchtern und sachlich alle Gräueltaten aufnimmt. Beim Mord an einem Jungen, beim Entsorgen von Leichen und beim Entledigen einer gegnerischen Film-Crew, die einen anderen Serienkiller begleitet, führen die Filmemacher auf distanzierte Art und Weise die Dreharbeiten durch – und unterstützen Benoît. Teilnehmende Beobachtung par excellence. Auch Benoîts Freunde empfinden seine Tätigkeit als Normalität. Doch wann immer die Distanz verloren geht und die Beobachter zu Betroffenen werden, wird eine Grenze überschritten. Unaufdringlich wird dann aus der Medienkritik eine Voyeurskritik.
In diese Richtung geht auch Oliver Stones »Natural Born Killers«, der die Protagonisten in größere gesellschaftliche Zusammenhänge einbettet. Das Killerpärchen Mickey und Mallory Knox, das sich quer durch die USA mordet, wird zu einem medialen Pop-Phänomen gemacht, das von Fans der MTV-Generation euphorisch gefeiert wird – solange auch hier der Ernst der Sache auf Distanz bleibt. Aber anders als der fehlende Erklärungsansatz in »Mann Beisst Hund« und auch anders als die Erklärung, die Mickey Knox im TV-Interview liefert, scheint der Film eine subtil vermittelte Sicht auf die Gewalttaten zu haben. Der Drang zur Tat steckt nicht nur in einem selbst, sondern es sind die sozialen Verhältnisse, die einen formen. An sich ist das eine Banalität, aber gleichzeitig ist es der Wendepunkt, an dem aus der Medienkritik eine Gesellschaftskritik wird. Eine Sternstunde beider Kritiken liegt in den Ausschnitten aus Mallorys Zuhause, die im Comedy-Serienformat gehalten sind. Die eingespielten Lacher über den alles andere als komischen Szenen verdeutlichen einerseits die Tragik von Mallorys Existenz, andererseits schreien sie dem Zuschauer entgegen, dass Medieninhalte nicht nur konsumiert, sondern auch reflektiert werden müssen, denn ein Zuschauer wird auch immer wieder zum Akteur. Der Film und das Leben spielen eben nach unterschiedlichen Regeln. Der Blick hinter das Offensichtliche darf nicht fehlen. Daher sagt Mickey zu Sensationsreporter Wayne Gale, der dem Rausch der Gewalt erliegt, dass er dafür nicht genug Klasse hat, denn die Essenz dieses Seins versteht er nach wie vor nicht.
Geschmacklos ist »Mann Beisst Hund« bei weitem nicht, aber schmerzhaft zu ertragen. Übertrieben ist »Natural Born Killers« sicherlich, aber es ist zugleich die fiese Fratze einer verkennenden Gesellschaft. Die Filme enden ähnlich: Das Bild bleibt der letzte Zeuge.