Scream VS. Scream 4:
Wiederkehrende Frischzellenkur?

Das Horrorgenre ist vielfältig und sprunghaft. Vom Monster-Horrorfilm der 1930/40er ging es über den Psycho-Thriller der 1960/70er zum Slasher der 1980er und dem Torture-Porn und Japan-Horror der 2000er. War aber die Reihe selbstironischer Slasher der 1990er nur eine Phase ohne Wiederkehr – oder ist es die stete Möglichkeit für eine Genre-Frischzellenkur?

»Scream« (USA 1996) schaffte es damals, dem eingeschlafenen Genre zu neuer Popularität und neuem Glanz zu verhelfen, indem Selbstreflexivität und Selbstironie als Gewürze den Ingredenzien Spannung, Horror, Blut und Gewalt beigemischt wurden. Die klassischen Konventionen des Slashers wurden zur Hommage – und gleichzeitig von den genre-kennenden Filmfiguren mit einem Augenzwinkern persifliert. Die Charaktere konnten schlauer sein als die anderer Horrorfilme, machten deren Regeln transparent und nahmen dadurch das Publikum ernst. Die Selbstverständlichkeit irrationaler Verhaltensweisen in Slashern wurde in eine Unberechenbarkeit des Kommenden umgekehrt und ebnete dem Genre den Weg für eine Reihe neuer, aber dennoch schwächerer Thriller wie »Ich Weiss Was Du Letzten Sommer Getan Hast« (USA 1997) oder »Düstere Legenden« (USA 1998) – und auch die gelungenen Fortsetzungen »Scream 2« (USA 1997) und »Scream 3« (USA 2000). Genreüblich wurde der frische Wind aber schnell wieder zu einem schwachen Lüftchen und der einstige Paradigmenwechsel musste dem nächsten Trend weichen.

Ab Anfang der 2000er wurden US-Remakes von japanischen Horrorfilmen wie »The Ring« (USA 2002) und »The Grudge« (USA 2004) populär, die übernatürliche Elemente enthielten. Danach folgte der langjährige Trend der Folterfilme, der mit »SAW« (USA 2004) begann und allein dieser Reihe sieben Teile bescherte, die das physische Leiden von eindimensional gezeichneten Charakteren explizit zeigen. Der dabei geprägte Begriff des Torture-Porn ist zutreffend, denn so, wie es im Porno ausschließlich um die explizite Darstellung sexueller Akte und nicht um Charaktere geht, spielt im Film der Folterakt die primäre Rolle. Das Ende dieser Phase wurde mit der Rückkehr einer Gattung eingeleitet, die bereits Ende der 1990er mit »The Blair Witch Project« (USA 1999) für Angst und Schrecken in den Kinosälen gesorgt hatte. Der Found-Footage-Horror kehrte mit Filmen wie dem nervenaufreibenden spanischen »Rec« (E 2007), »Cloverfield« (USA 2008), »Paranormal Activity 1-4« (USA 2009-2012) oder »V/H/S« (USA 2012) erfolgreich in die Kino-Charts zurück. Übernatürliches wird hier zur Realität erklärt, indem es wie gefundenes, echtes Material erscheint, das von Hand- oder Überwachungskameras aufgenommen wurde. Die Realität des Films und die des Zuschauers sollen sich dabei immer ähnlicher werden – und der Horror unmittelbarer.

Aber was kommt nach diesem Trend? Fortsetzungen, Remakes und Reboots sind nicht neu, sondern schon lange Bestandteil des Genres. War nun nach einer Dekade der Abwesenheit die Zeit für die Fortsetzung »Scream 4« (USA 2011) und eine neue Episode der Genre-Selbstreflexion gekommen? Gleich zu Beginn wird auf die gewaltgetränkten und inhaltsleeren Torture-Porn-Filme eingegangen, aber der vierte Teil bietet auch viele subtile Anspielungen auf das Genre der vergangenen Jahre. Der Killer filmt die Gräueltaten und lädt die Videos ins Netz hoch. Found-Footage wird also mit einer Kritik der Medien und des Voyeurismus kombiniert. Dieser Teil bietet aber zudem etwas, was kein anderer Film bisher geschafft hat, denn »Scream 4« ist Sequel und Reboot zugleich. Es ist sowohl eine ordentliche Fortsetzung, als auch ein Neustart der Reihe für eine neue Generation.

Dem Film sind die Ambitionen und Ziele deutlich anzumerken, aber im Vergleich zu den Vorgängern scheint die Atmosphäre dennoch zu verblassen. Die Inszenierung ist routiniert, aber nicht inspiriert. Die richtigen Gewürze sind zwar vorhanden, aber ein umfassender Genre-Reboot wie in den 1990ern ist es noch lange nicht. Bleibt also auf eine andere und überraschendere Frischzellenkur zu warten.