Erwin Koch: Was Das Leben Mit Der Liebe Macht (D 2013)

Künstlerische Perlen findet man manchmal über recht unerwartete Wege. Genau so ist es für mich auch bei dem Band von Erwin Koch gewesen. Im Vorwort zu dem Gedicht-Band “Messer / In Stillen Nächten” (D 2015) von Till Lindemann, Frontmann der Band RAMMSTEIN, wurde WAS DAS LEBEN MIT DER LIEBE MACHT (D 2013) erwähnt. Der Titel hat sofort in mir die Neugierde geweckt und was ich bei der ersten Suche nach dem Buch entdeckt habe, hat mich sofort in die nächste Buchhandlung getrieben. In der Zwischenzeit bin ich bereits mehrmals dort gewesen, um weitere Exemplare zu bestellen, die nun auch anderen Leuten Freude bereitet haben.

Erwin Koch erzählt in neun Geschichten aus verschiedenen Ländern und Zeiten, wie sich Liebende zunächst gefunden haben, aber was das Leben – vielleicht würde manch einer auch Schicksal sagen, aber Leben beschreibt es sachlicher und nüchterner – im Laufe mal kürzerer, mal längerer Zeit mit der Liebe und den Liebenden anstellt und alles zerbricht. Es sind echte Geschichten, die Erwin Koch recherchiert und nacherzählt hat, nichts ausgedachtes. Das macht bereits viel von der Wucht aus, mit der das Buch auf die Leser einschlagen wird. Die außergewöhnliche Nüchternheit des Schreibstils ist aber der eigentliche Clou des Buches: Erwin Koch lässt sich nicht darauf ein, mit seinen Worten den Lesern zu vermitteln, was zu empfinden sein soll. Spielen Adjektive zur Beschreibung und Einstimmung auf Szenen und Empfindungen normalerweise eine wichtige Rolle, werden sie hier nicht derart eingesetzt. Erwin Koch reduziert alles darauf, dass nur die Geschichte selbst der Erzähler ist und nur diese in aller Offenheit und Nacktheit auf die Leser einprasselt und diese emotional gefangen nimmt. Das ist der Trick in seinem Schreibstil, dass er durch Verzicht auf die Beschreibung emotionaler Welten die eigentliche emotionale Wucht der Geschichten näherbringt. Im Gegenzug zur Nüchternheit der Worte und Beschreibungen, neigt Erwin Koch allerdings dazu, äußerst verschachtelt zu schreiben. Allerdings fällt das beim Lesen nicht sonderlich negativ auf.

Neben den trist-traurig-erschütternden Geschichten mitten aus dem Leben, die Erwin Koch niedergeschrieben hat, kommt dem Leser die vielleicht wichtigste Rolle zu: Da vom Erzähler darauf verzichtet wird, dem Leser zu sagen, wie dieser emotional agieren soll, spielen Empathie und Empfinden des Lesers eine Schlüsselrolle. Erst in der Mitte des Weges finden Geschichte und Leser zusammen, beide sind gleichberechtig am Erlebnis des Buches beteiligt. Erwin Koch zieht sich auf eine neutrale Position zurück – als Autor drängt er nicht in den gestaltenden Mittelpunkt, sondern gibt sich ganz einer journalistischen Aufgabe hin: Die Informationen der Geschichte aufbereiten, ohne sie emotional zu verfälschen. Geschickt schafft er es, die Geschichte elegant und nuanciert aufzubereiten. Das emotionale Erleben übernimmt dann der Leser.

WAS DAS LEBEN MIT DER LIEBE MACHT (D 2013) hält die Wucht des Lebens in einer Vielfalt bereit, die einem wiederkehrend die Tränen in die Augen treibt, wenn man als Leser bereit ist, sie selbst entfesseln zu wollen.

5 out of 5 stars